Während mein Kopf brummt ist mein Herz schwer wie Stein.
Vor nur wenigen Stunden wurde der seit bereits 13 Jahren bestehende Kiezladen Friedel54 geräumt, Menschen mussten verarztet werden. Als online von Menschen vor Ort weitere freiwillige Hilfe angefordert wurde, gaben Rettungssanitäter per Twitter kund, sich nicht in die Nähe der gewalttätigen Polizisten begeben zu wollen. Ich las Zuhause den Liveticker mit und wurde immer betroffener.
Der Projektraum Friedel54 wird, oder man muss wohl korrekterweise nun sagen: „wurde“ für Versammlungen, Diskussionen, Filmvorführungen, Mieterberatungen, als auch zum Feiern genutzt. Über 15 Initiativen, Gruppen und Projekte aus einem breiten politischen, sozialen und kulturellen Spektrum hatten hier ein Raum zur Verwirklichung gefunden.
Zudem gab es auch einen kleinen Umsonstladen, wo Menschen Dinge ohne Gegenleistung mitnehmen können, die andere nicht mehr brauchen. Sie nahmen aus Überzeugung grundsätzlich keinen Eintritt für Veranstaltungen und boten Speisen und Getränke auf Spendenbasis an.
„Jede*r ist hier willkommen. Wir schauen nicht auf Aussehen, Einkommen, sexuelle Orientierung, rechtlichen Status oder sonstige Schubläden. Wir wollen einen Raum, in dem sich möglichst jede*r wohlfühlen und ausleben kann und alle rücksichtsvoll miteinander umgehen.“
Dem schönen linksalternativen Kiezladen war der Gewerbemietvertrag irgendwann gekündigt worden.
„Im vergangenen Sommer standen die Bewohner mit Unterstützung einer Stiftung kurz vor der Übernahme ihres Hauses. Trotz fortgeschrittener Verhandlungen verkaufte der Voreigentümer Citec überraschend an den jetzigen Eigentümer, die luxemburgische Briefkastenfirma Pinehill – für einen Preisaufschlag von etwa 300.000 Euro.
Pinehill hatte die ausgesprochene Kündigung gegen den Kiezladen übernommen und war damit auch vor Gericht erfolgreich.“ – taz
Tja: Wohnraum bleibt Ware. Leider. In einem Land, in einer Welt, in der Geld immer mehr zählt als Kultur, gegenseitige Solidarität und Miteinander, verdrängen InvestorInnen mit Hilfe von Polizeischergen und anderen Vollstreckern nun mal Läden, die eben diese Werte noch hoch halten. Als ob sie mit den Einnahmen aus den (in Berlin eh schon maßlos überteuerten) Wohnungen noch nicht bereits genug zum Leben verdienen würden! Aber um „genug zum Leben“ geht es diesen Menschen wohl nicht.
Die Hoffnung mit Hilfe der hier etablierten Politik die Friedel54 dem Markt zu entziehen und selbst zu verwalten, war seitens der NutzerInnen lange Zeit noch aktuell. Wäre auch zu schön gewesen. Aber es war zum Scheitern verurteilt.
Nun kam es so wie angekündigt: Der Laden wurde zwangsgeräumt, mit Bohrern, Fräsen, Kettensägen, Rammböcken und übermäßiger Gewalt.
Und was bleibt uns nun? Das Bewusstsein, dass es wieder ein Zentrum weniger gibt, in dem wir uns begegnen können, fernab von gesellschaftlichen Zwängen und Diskriminierung. Ein Schutzraum weniger in dem man aktiv ein Gegenmodell leben kann – queer und bunt, nichtkommerziell, hierarchielos und damit absolut konträr zu staatlichen Gebilden einer Finanz- und Wirtschaftselite. – Man könnte sagen, es gibt seit heute 13:23 Uhr einfach wieder etwas weniger Raum für eine Entfaltung von Herzlichkeit und Miteinander.
Ja, da werde ich emotional, politisch und auch etwas ungehalten. Aber es ärgert mich, schnürt mir die Luft zum Atmen ab, macht mein Herz schwer.
Der Kapitalismus in all seinen Unterdrückungsformen ist langsam so unerträglich für mich, raubt mir, gerade bei solchen schändlichen Aktionen, immer wieder den Mut überhaupt noch an das Gute im Menschen zu glauben. Ich setze mich ja schließlich nun schon über 15 Jahre für solche Freiräume und damit gegen Macht und Geld ein. Im Moment bin ich wirklich ausgelaugt und zudem auch unfassbar traurig bei den Bildern des Tages.
Aber es macht auf der anderen Seite auch Mut all die hunderten Menschen zu sehen, die sich gegen die Räumung stellten, mit aller Entschlossenheit, die sie trotz ihrer eigenen privaten Schicksale und Verpflichtungen irgendwie noch hervorbringen können. Denn jeder hat seine eigene Geschichte, jeder hat Ängste, Probleme und schwere Zeiten oder fühlt sich gar unterdrückt, ausgebeutet oder verdrängt.
Werden diese negativen Lebenslagen durch kapitalistische, gesellschaftliche Umstände ausgelöst, und das werden sie oft, muss man persönliches Engagement im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten zeigen, um etwas zu verändern.
Wir müssen also zusammen halten und zusammen stehen. Nur dann kann man die voranschreitende Aufwertung und Verdrängung stoppen – für uns, für eine bessere Zukunft.
Dieser Widerstand gegen Gentrifizierung ist schlussendlich auch euer Kampf, wenn ihr euch und / oder eure Nachbarn nicht verdrängen lassen wollt. Also lasst uns diesen Kampf doch gemeinsam führen!
„Es geht aber nicht nur um den Kiezladen Friedel54 und eine einzige Zwangsräumung. Es geht darum sichtbar zu sein für alle, die Angst haben vor Verdrängung, ihnen Mut zu geben und die Möglichkeit an Diskussionen teilzunehmen, weitere Aktionen zu planen und durchzuführen. Es geht darum Zwangsräumungen als gewalttätigstes Mittel der Verdrängung zu skandalisieren und hervorzuheben, dass diese Gewalt trauriger Alltag ist. Es geht darum zu ermutigen Besetzungen durchzuführen, zu verteidigen oder Besetzungen von außen zu unterstützen.“
– https://friedel54.noblogs.org/
Solidarität mit der Friedel54 und allen anderen selbstverwalteten, unkommerziellen Projekten!
Zwangsräumungen blockieren!
Die Häuser denen die sie nutzen!
Für solidarische Städte von unten!
Gegen kapitalistische Systeme! G20 sabotieren!
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3 Kommentare auf "Tag X – Die Räumung des Friedel54"