Immer zu gewissen Zeiten, die besonders stürmischen, denke ich an die Highlights meines Lebens zurück, besinne mich darauf, dass es wieder so werden kann. Natürlich zählt auch die Zeit meiner größten Verliebtheit dazu. – Diese kurze Hochphase in der ich dachte, nichts könne mir etwas anhaben, ich wäre am Ende einer langen Odyssee angekommen.
Doch es war nicht so. Viele von euch erinnern sich an meine Berichte der damaligen Zeit.
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Und doch waren es schöne Zeiten, die schönsten Momente meines Lebens. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich sonst gelacht habe bis ich weinen musste und geliebt habe, so maßlos geliebt. Die Liebe zwischen uns war für jeden greifbar. Sie erfüllte die Luft. Und doch schwebten zu jeder Zeit auch Gewitterwolken über uns und auch diese waren für alle spürbar.
Nun war er nichtsdestotrotz der erste und einzige Mann bei dem ich ernsthaft über eine Heirat und Kinder nachgedacht habe. Warum? Ich liebte ihn und das so sehr, dass ich nicht umher kam, mich zu fragen, wie kleine Miniversionen von uns wohl aussehen würden. Vielleicht ist es ja eine ganz normale Sache, dass wenn man sich derart liebt, die Liebe in einem Kinderwunsch mündet. Vielleicht hat er mir auch diesen Floh ins Ohr gesetzt. Darin war er gut. Nun, ich weiß die Gründe nicht.
Mittlerweile sind viele Jahre vergangen und trotzdem denke ich manchmal an ihn. An einem dieser Tage brach ich eines meiner größten Maximen, nämlich das, keine Seiten von Exfreunden anzuschauen. Einige Jahre ging es gut, nun öffnete ich sein Instagram, aus Neugier, weil ich ihn vermisste oder aufgrund irgendeiner Form von Selbstquälerei. Ich weiß es nicht mit Sicherheit. Irgendwas war es!
Nun war diese Büchse der Pandora geöffnet und wer sollte sie wieder schließen? Ich denke es braucht eine Menge Stärke sich solcher Fehler wirklich bewusst zu werden und sie mit Bestimmtheit zu korrigieren. Ich konnte es nicht. Seit die Traumatherapie immer intensiver wurde, sehnte ich mich mehr und mehr zurück zu den Momenten, an denen ich mich so leicht fühlte wie damals mit ihm. Durch seine privaten Bilder und Videos hatte ich nun das Gefühl ihm irgendwie wieder nahe sein zu können oder sagen wir nicht ihm, sondern der Idee von ihm, dem Ideal der wenigen schönen gemeinsamen Zeiten.
Zu meinem Glück hatte sich an seiner paranoiden Verfolgungsangst wohl nicht viel getan, daher postet er stets wenig, im Besonderen auch wenig Privates. Außerdem löscht er immer wieder den gesamten Content seiner Seiten, aus den besagten Gründen. Ich hatte also nur oberflächliche, abstrakte Einblicke. Stellt euch mal vor, ich hätte dort permanent in die Gesichter von neuen Liebschaften blicken müssen. Welch Horror!
Es war einer dieser Abende. Ich hinterfragte mein Leben, meine Beziehung, meine Entscheidungen und alles in mir verzehrte sich nach etwas Halt. Mein Kopf hämmerte. Der Schmerz drückte mir die Schläfen zusammen. Also kam lesen zum Ablenken und Wegträumen nicht in Frage, Fernsehen ertrug ich nicht. Also wagte ich einen Blick in die Büchse der Pandora. Und oh Gott, ich hätte sie geschlossen lassen sollen. Man kann sich manch ein Leid ersparen im Leben oder man springt halt mit Anlauf rein, wie ich diesen Abend.
Ich erblickte zu meinem Erstaunen ein Foto von meinem Lieblingsauto (ein kleiner, alter Fiat – exakt der Gleiche, mit dem ich vor wenigen Monaten in Warschau ein Foto schoss). Es traf mich etwas, wusste er doch um meinen Jahrelangen Traum dieses Autos. Doch es kam noch dicker. Auf der Scheibe war etwas von Heirat geschrieben. Ich musste schlucken. Legte das Handy kurz zur Seite und versuchte mich zu sammeln. Konnte das sein?! Nein. Doch. Niemals. Oder?
„Jetzt finde es einfach raus!“
Ok. Ein näherer Blick. Rasendes Herz. Schweres Atmen.
Nicht sein Name! Puh… Nochmal knapp drum herum gekommen.
So fuhr er wohl zu der Hochzeit von jemand anderem mit diesem kleinen Schmuckstück von Auto. – Frech genug! Doch dort – weitere Namen in kleinerer Schrift. Wer war also jetzt gleich noch dieser Frauenname neben seinem (unter dem Namen des Brautpaares)? Eine seiner unzähligen Bekannten? Sie war verlinkt. So klickte ich auf ihren Namen und da traf es mich wie ein Schlag.
Meine müden Augen erblickten Fotos von ihrer gemeinsamen Hochzeit. Emotionen rollten über mich wie eine Lawine aus Gesteinsbrocken. Fragen über Fragen. Keine Antworten. Ich suchte jetzt verzweifelt nach Antworten in den Fotos ihrer Seite. Meine Hände zitterten. Wer ist sie? Seit wann kennen sie sich? Ist es Liebe? Was bedeutet das für mich, für das Verständnis unserer damalige Zeit? Was tue ich hier?
Letztens Jahr bat er mich fast flehend um Kontakt. Ich lehnte ab. Kurz danach erschienen die ersten Fotos mit ihr, wie ich nun sah. Sie schaut nett aus, hat viele sympathisch aussehende Freunde und scheint äußerst glücklich zu sein mit ihm. Ich erkannte in ihren gemeinsamen Bildern Parallelen zu Fotos mit mir und eine ähnliche Mimik in seinem Gesicht, wie er sie anschaute oder scheu in die Kamera blickte auf Pärchenfotos. Es traf mich mitten ins Herz.
Er hatte mich damals in eine Abhängigkeitsbeziehung manövriert und bis jetzt fällt es mir offensichtlich schwer das Vergangene komplett los zu lassen. Das ist nichts wofür man sich schämen muss, aber etwas an dem man arbeiten sollte. Ich bin ja auch schon lange so weit, ihn unter keinen Umständen zurück zu wollen und doch träume ich mir im Kopf immer eine Welt zusammen, in der die Menschen sich ändern können, um einen kämpfen, weil sie dich für wertvoll genug erachten.
Dahinter steckt wohl der tiefe Wunsch, dass jemand anderes einem das Selbstbewusstsein schenkt, dass man aus eigener Kraft nicht (noch nicht) aufbringen kann, dass sie Etwas in einem sehen. So verbringe ich mein Leben darauf wartend und hoffend in meist unglücklichen partnerschaftlichen Konstellationen, aus denen ich schwer wieder raus komme.
Aber woher soll ich es auch anders kennen? Meine eigene Mutter steckte Jahrzehnte in einer unglücklichen Ehe und verblieb nichtsdestotrotz in ihr. Das waren meine Rollenvorbilder. Und nun wird man in das Leben geschubst und soll alles richtig machen und am besten sofort. Nur brauche ich Zeit um aus den Fehlern meiner Eltern zu lernen und wohl auch Zeit meine eigenen zu begehen. Mit ihm bin ich so richtig auf die kleine Schnauze geflogen und habe verdammt viel daraus gelernt und doch birgt diese Geschichte offensichtlich noch Lektionen.
Ich muss lernen gehen zu lassen und Vergangenes weniger zu idealisieren. Wisst ihr, es ist leicht sich in schwierigen Zeiten in bekannte Muster zu retten und diese Partnerschaft mit ihm hatte viel von dem was ich in meiner Kindheit tagtäglich sah. Aber selbstredend will ich dieses Leben nicht führen, will ihn nicht und ich möchte auch nicht irgendwelche Profile ausstalken. Sowas habe ich noch nie gemacht. Ich bin nicht diese Art Mensch, hatte böse Gedanken über sie, kam mir richtig schäbig vor.
Als ich Mum von meiner Entdeckung erzählte, kam ihr nur ein Gedanke, den sie auch unmittelbar verbalisierte: „Ach nein, die Arme! – Sie kann einem eigentlich nur leidtun!“ – Meine gutherzige Mutti. Wir redeten noch kurz und sie sprach mir Mut zu, lobte, dass ich den Absprung geschafft hatte. Und ja, auch ich bin verdammt stolz darauf! Es hat mich so verdammt viel gekostet und ich knabber auch nach all den Jahren noch daran, an all den Verletzungen, der Enttäuschung und an den Schäden an meinem Selbstwert, den er Schritt für Schritt regelrecht auseinander nahm.
Doch es wird immer leichter und mein Leben wird mit jedem Tag geordneter. Man verzeihe mir kleinere Rückschritte und unrealistische Träumereien. Ich kann es mir hoffentlich irgendwann verzeihen.
Und so benötigte ich vielleicht diese kleine Ordnungsschelle vom Schicksal – dieses Profil/diese Bilder zu entdecken. Ja vielleicht ist es dieser kleine Schubs, den ich gebraucht habe.
Das Bedürfnis auf seine Seite zu schauen, ein Teil seines Lebens zu sein, wenn auch nur ein eingebildeter, ist jedenfalls verschwunden. Ich fühlte es bis in die Knochen, bis in die letzte Zelle meines Körpers: Das war es jetzt mit uns! Ja, es fühlte sich das erste mal endgültig an. Wir würden uns nie wieder sehen und selbst wenn, nie wieder die Gleichen sein. Seit der Trennung erwuchs ein Berg zwischen uns, unüberwindbar nun.
Ich wünsche ihm wirklich nur das Beste, hoffe, dass er jetzt stabiler ist und sie behandelt wird, wie sie es verdient und braucht. Mein Gott, ich hoffe wirklich, sie geht nicht durch das gleiche Schicksal wie ich damals. So schrieb ich ihm und beglückwünschte ihm zu seiner Hochzeit. Er freute sich sehr über die unerwartete Nachricht und bedankte sich herzlich.
Jetzt einige Tage nach diesem Schock habe ich die beiden Profile aus meinen Instagram-Suchergebissen entfernt und fühle mich Zentner leichter. Seit einiger Zeit habe ich vor, ein Fotoalbum anzulegen über die damalige Zeit, habe das Gefühl, dass es mir helfen würde damit abzuschließen. Doch solch ein Album bedeutet auch immer ein intensives Auseinandersetzen mit Allem. Davor scheute ich lange. Vielleicht ist es jetzt genau der richtige Moment dafür, denn ich stecke ja aktuell in der Thematik. Und könnt ihr euch das Gefühl vorstellen, dass es mir geben wird, wenn ich das Buch schließen kann, metaphorisch und in echt?!
Warum überhaupt dieses Album fragt ihr euch? Nun ja, ich konnte früher überhaupt nicht mit ExfreundInnen meiner Partner umgehen. Ich provozierte Streitigkeiten darüber herauf und forderte zum Teil sogar das Zerstören von Erinnerungsstücken. Das sehe ich mittlerweile anders. Wir alle haben unsere Lebensgeschichte und man kann von Niemandem verlangen Teile davon zu verleugnen oder sich ihnen gar unwiderruflich zu entledigen.
Und so möchte auch ich mich irgendwann mit 80 hinsetzen und an die Zeit mit ihm denken können beim Durchblättern des kleinen Albums. Und was hatten wir auch für schöne Tage, wie hat er mich zum Lachen gebracht dieser dumme Clown, wie hat er mich zum Weinen und Verzweifeln gebracht. Wie er die Miniramp skatete auf nur einem Bein stehend, mein Bauch schmerzte vom Lachen. Wie klammerte er sich manchmal an mich, wie sprang mein Herz, als ich ihn nach den vielen Monaten des Schreibens das erste Mal in echt erblickte, als er mit dem Skateboard in der Hand, mit diesem bezaubernden Lächeln im Gesicht und den langen Haaren im Wind auf mich zu schlenderte .
Leider fällt es mir immer schwerer mich zu erinnern. Die gemeinsame Zeit verblasst mit jedem Tag, viele Szenen sehe ich nur noch nebelig vor mir. Nicht aber diesen unseren ersten Moment.
Und auch nicht diesen, wie er einst auf mich zu kam, meinen Kopf in seine Hände nahm und mir ganz unerwartet einen Kuss auf die Stirn gab (mein Lieblingskuss) und ich die Augen schloss um wirklich alles an diesem Moment aufzusaugen. Niemals wollte ich es vergessen, versuchte ihn mir dazu in allen Einzelheiten einzuprägen, sein Aussehen in exakt der Sekunde vor dem Kuss, sein Geruch, die Wärme seiner Hände auf mir. Ich hielt ihn noch kurz fest danach, ließ die Augen noch etwas geschlossen. Das Leben pausierte für uns.
Oder den Moment als er nach einer Reise zurück kam und mich weinend und zitternd am Flughafen mit einem „My Boo“-Schild erblickte. Sein Blick in diesem Augenblick, seine herzliche Umarmung über die Absperrung gebeugt. Oder den, wo ich mit Freunden schnatternd auf einer Bank an der Warschauer Straße saß und er permanent vorbei fuhr, einen albernen Trick nach dem anderen vorführend, nur um mich zum lachen zu bringen. Ich werde mich auch schwer tun zu vergessen, wie wir einmal in Schweden auf einer kleinen Insel mit nur zwei Häusern im Licht eines Kamines aneinander geschmiegt langsam tanzten. – Ein weiterer dieser Momente, in denen die Welt sich nicht mehr drehte.
Oder den Tag, als ich ihn das erste Mal in Stockholm besuchte und er mir zuzwinkerte, um dann über das Drehkreuz an der S-Bahn zu springen, die Entriegelung zu drücken und mir die Hand reichte, als würde er mich elegant zum Tanzen auffordern. Der Kontrolleur prustete und wütete in seinem kleinen Glashaus, durfte es aber nicht verlassen. Er wiederrum lächelte mich keck an und zog mich hinweg. Wir rannten lachend zur Bahn.
Manches Mal kam es mir vor als wären wir in einem kitschigen Film und der freche Junge würde das schüchterne Mädchen dazu verführen sich vollends und unwiderruflich in ihn zu verlieben mit seiner frechen, charmanten Art, mit einem Zwinkern halt und diesem verdammten Skateboard unter dem Arm. Doch auch das alles wird verblassen und eventuell irgendwann gänzlich verschwinden.
Und vielleicht soll es so sein und ist auch gut so. Ich kann dann frei wählen, wann ich das Album in die Hände nehme und an ihn denke. Keine Erinnerungsfetzen mehr, die mich um den Schlaf bringen, mir Tränen in die Augen treiben. Sie sind ja jetzt schon verschwindend selten (vielleicht 2x im Jahr + ein kleiner Rückfall die letzten Monate nach einer Trennung).
Ja, sie waren mein Rettungsanker an besonders schweren Tagen, doch meine Tage werden immer besser. Fast hätte ich all diese guten Tage nicht erlebt durch die zerstörerische Zeit mit ihm. Doch das ist vorbei! Ich kann aufatmen, durchstarten, irgendwann mit meinem eigenen kleinen Fiat 500/126p in den Sonnenuntergang fahren. Meine Zukunft wartet vor der Tür, nicht in diesem verstaubten Album.
Nun soll das frisch verheiratete Ehepaar ihre gemeinsame Geschichte schreiben, ihre eigenen Alben füllen und ich fülle meine mit neuen Erlebnissen und hoffentlich mit viel Liebe.
Bye my lover, my Boo. Thank you.
“Your time may come. Do not be too sad, Sam. You cannot be always torn in two. You will have to be one and whole, for many years. You have so much to enjoy and to be, and to do.”
― J.R.R. Tolkien, The Return of the King
Beim Titelbild dieses Beitrages handelt es sich um eine von zwei Karten, die er mir einst schickte, mit dem Text:
“you had me at hello”.
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15 Kommentare auf "The warm swedish summer – Farewell lover."