Viele von euch haben mitbekommen, dass ich vor kurzem einen kleinen Hund adoptiert habe – Lucy ihr Name. Manch einer in meinem Umfeld hatte sich vor der Aktion gegen ein gerettetes Tier ausgesprochen. Viele meiner Leser begrüßten und unterstützten jedoch meine Entscheidung. Wie versprochen folgt nun, nach dem Adoptionsbericht, eine Schilderung des weiteren Verlaufs mit ihr:
Fakt ist: Viele Hunde suchen aus den verschiedensten Gründen ein neues Zuhause, Mischlinge genauso wie Rassehunde und auch in allen Altersklassen. Die meisten dieser Hunde sind, entgegen bestehender Vorurteile, ganz normale Hunde ohne psychische oder gesundheitliche Schäden. Sie zeigen typisches Hundeverhalten und können sich genauso problemlos in ihre neue Familie einfügen wie ein Hund vom Züchter.
Wie jeder weiß, haben die verschiedenen Hunderassen ganz typische Charakteristika. So sind Jack Russels gerne hyperaktiv, Französische Bulldoggen oft freche Clowns und Huskies wahre Kraftpakete. Und dann sind die einzelnen Individuen jeweils nochmal unterschiedlich in Charakter und somit ihrem Benehmen. Man kann also nie mit Sicherheit voraus sehen, was man da genau für ein Tier bekommt. Ja, jeder Hund ist eine kleine Überraschungsbox, unabhängig davon, ob er gekauft oder adoptiert wurde. Man muss sich immer auf die individuellen Anforderungen und Bedürfnisse des Tieres einstellen.
Zugegebenermaßen sind viele von den Hunden aus dem Tierschutz (zumindest anfangs) schreckhaft. Manche sind es gewohnt auf der Straße nach Essen zu suchen und tun sich schwer das abzulegen. Nicht alle von ihnen sind bereits Stubenrein und sie kennen das Gehen an der Leine oft noch nicht. Man kann also schon sagen, dass sie bestimmte Verhaltensweisen zeigen, die bei Hunden vom Züchter nicht so häufig auftreten, da diese ja von klein auf an den Mensch gewöhnt werden. Das macht die kleinen (und großen) Streuner aber keinesfalls weniger liebenswert!
Ich habe, auch nach fast 3 Monaten mit meinem verrückten Adoptivkind, die Entscheidung gegen einen Hund vom Züchter – pro ein Kind aus dem Tierheim, nicht bereut. – Im Gegenteil !
Kathrin, vom Verein Animal Souls – Hunderettung Rumänien e.V., war so lieb uns ein paar Fragen zu beantworten, dazu, wie man selbst helfen kann und wie sie zu dieser Arbeit mit Straßenhunden fand.
Hallo Kathrin ! Sag uns doch erst einmal, wie du zu der Arbeit mit rumänischen Straßenhunden kamst.
Ich persönlich bin wie man sagt, einfach zufällig “hinein geschliddert” – ich hatte schon mehrere Hunde aus dem Tierschutz, Nr. 1 aus dt. Tierheim, Nr. 2 aus Spanien, Nr. 3 aus Malta. Der erste war schon älter und wir mussten ihn 2012 über die Regenbogenbrücke gehen lassen.
Meine Freundin, die schon sehr lange aktiv im Tierschutz ist (aber eher in Spanien und DomRep) hat mich dann auf die Situation in Rumänien aufmerksam gemacht und ich hab mich dann erstmal informiert.
Selber konnte ich keinen dritten mehr adoptieren, wollte aber irgendwie helfen und so fragte ich wegen Pflegestelle an. Daraus wurde dann später etwas mehr ? … bei Animal Souls gab es Veränderungen in der Vorstandschaft und als Vereinsmensch fand ich dort ein gutes Plätzchen, über das ich mich noch stärker engagieren konnte (kann).
Wie sieht der Alltag deiner gemeinnützigen Arbeit aus?
Eigentlich ist das hier fast ein Fulltime-Job, denn im Grunde ist man den ganzen Tag mit dem Kopf dabei. Wir haben uns die Arbeiten aufgeteilt im Team – innerhalb der Vorstandschaft und noch einigen weiteren Helfern, sonst wäre es nicht zu schaffen.
Bei Sylvia und Sarah geht es vor allem um die Vermittlungen, Sylvia organisiert zudem noch die Transporte alle 2 Wochen. Und ich bin die Geldtante ? D.h. Konten checken, prüfen ob Schutzgebühren und Patenschaften bezahlt wurden usw. … alles was eben bei den Finanzen so anfällt. Zusätzlich bin ich Kontaktfrau für die Pflegestellen und die Behörden – u.a. Veterinärämter. Wenn also irgendwo Hunde kontrolliert werden und es Probleme gibt, bin ich da und schau, dass alles rechtens ist.
Bei den Vermittlungen muss man sich vorstellen, dass manchmal gefühlte 1000 Anfragen kommen. Jeder will ganz schnell Antwort bekommen. Das muss also auch koordiniert werden. Es müssen dann Vorkontrollen arrangiert werden und später auch Nachkontrollen.
Da wir auch normale Jobs haben und auch eigene Tiere und Privatleben, ist das manchmal nicht ganz einfach. Wir sind alle froh, dass wir verständige Partner an unserer Seite haben.
Warum gibt es in diesen Ländern so viele hilfsbedürftige Hunde ohne Städtische oder Vereinsgeführte Tierheime, die sich um sie kümmern?
Das liegt zum einen an der Mentalität, der Einstellung, mit der schon die Kinder groß werden und ich denke auch an dem Umstand, dass es dort nicht wirklich eine Mittelschicht gibt. Die Leute, die Hunde halten, haben oft nicht genug Geld für sich selbst, geschweige denn für die Hunde. Und es sind im Grunde für diese Menschen auch Nutztiere – wenn sie nicht mehr gebraucht werden oder “übrig” sind, werden sie weg geworfen ?
Das passiert bei den ärmeren Schichten vor allem. Sie können oder wollen die Hunde nicht kastrieren, weil sie nicht verstehen warum es so wichtig ist. Es ist für sie einfach, die Hunde weg zu werfen oder in den städtischen Tierheimen abzugeben.
Bei den Reicheren ist es fatalerweise so, dass die Leute Rassehunde kaufen. Es ist unglaublich aber leider wahr: es gibt dort viele Rassehundezüchter. Nur stimmt auch hier die Einstellung nicht. Wenn der Hund zu alt wird, wird er ausgesetzt – so paaren sie sich halt wieder und erzeugen Welpen. Oder sie werden im Tierheim abgegeben.
Die städtischen Tierheime gibt es ja – nur wenn voll ist, wird getötet und voll sind die Shelter leider oft sehr schnell.
Geht dir das auch manchmal nahe? Wie gehst du mit so viel Leid um?
Mir – uns allen – geht das sehr nahe. Wir waren erst vor kurzem auch selbst vor Ort. Sylvia fährt jedes Jahr. Für uns anderen wars das erste Mal. Wir hatten uns extra auch einen Sprinter besorgt und sind mit einem zweiten PKW dann gefahren – also einfach ca. 27 Std. unterwegs.
Wir konnten einige Hunde retten, mussten aber natürlich auch viele dort lassen – man kann leider nicht allen helfen und das ist das, was weh tut.
Als ich im Shelter von Bragadiru fotografiert habe, hatte ich einen Hund vor der Kamera, der hat mich dermaßen mit den Augen angefleht, dass mir die Tränen kamen. Den anderen ging es ebenfalls so. Allein die Vorstellung, dass dort viele Welpen sitzen, die nicht mehr lebend heraus kommen, entweder sie sterben an Krankheiten oder werden getötet, wenn sich niemand findet, der sie adoptiert. Das ist sehr schlimm.
Ich muss mir halt immer wieder vor Augen halten, dass wir wenigstens einige retten können und für sie ist es die Welt … Ich grabe immer wieder das Schindler-Zitat aus, diesen Spruch aus dem Talmud: “Wer auch nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt”
Das was die meisten von uns wohl interessiert ist, wie können wir helfen? Was kann man machen?
Ich denke jeder kann auf seine Weise helfen. Auch wenn es kleine Dinge sind … wie z.B. dass unsere Alben auf Facebook geteilt werden oder auch die Homepage verlinkt wird, dass wir weiter empfohlen werden usw.
Man kann auch Fan-Artikel bei uns kaufen oder wenn man nicht noch was übrig hat, aber für sich selber online-Käufe tätigt, kann auch z.B. bei GOODING schauen und darüber einkaufen. Animal Souls ist dort registriert, man muss uns dann nur beim Kauf auswählen und dann bekommen wir einen Erlös (ohne dass der Einkauf teurer wird).
Man kann auch Mitglied werden, hier wäre der Mindestbeitrag 15 Euro – wer mehr geben kann, ist natürlich super.
Generell helfen Spenden sehr viel und wenn es nur paar Euro sind. Wir wünschten, es würde ohne gehen, aber wie das bei Tierschutzvereinen so ist, zählt hier jeder extra Cent.
Last but not least sind natürlich auch Patenschaften und Adoptionen wichtig. Leider ist es so, dass Hunde vermittelt werden müssen, damit sie einen Platz für andere bei unseren Partnern vor Ort frei machen. Sonst sind auch unseren Leuten in Rumänien die Hände gebunden und sie können keine weiteren Hunde aufnehmen. Das wäre das Schlimmste .. denn auf der Straße sterben sie, leider ?
Am besten schaut auf unserer Homepage vorbei : www.animal-souls.de
Dort steht auch, welche Möglichkeiten es sonst noch alles gibt. Und natürlich auch alle Informationen über uns und unsere Leute vor Ort.
Ich hoffe, ich konnte die Fragen gut beantworten und bedanke mich sehr bei dir, Melinda – nicht nur, dass du einem unserer Schützlinge ein neues Heim gegeben hast, sondern auch für den Blog, für deine Mühe und dein Interesse. ❤ ❤ ❤
LG Kathrin von Animal Souls e.V.
Ach was, danke dir für die tolle Arbeit und die Zeit, die du uns gewidmet hast. Alles alles Gute noch für euren Verein! Vielleicht finden sich ja durch diesen Beitrag ein-zwei Leser, die sich engagieren wollen und können. ❤
Ah, Melinda!!! Das Wichtigste hab ich vergessen ….
Wir waren vor kurzem auch wieder vor Ort um Hunde (und) Katzen kastrieren zu lassen. das ist das wichtigste überhaupt dort: Kastration und Aufklärung der Bevölkerung. Eine unserer Tierschützer in Rumänien, geht u.a. regelmäßig an Schulen und klärt dort über die Notwendigkeit von Kastrationen auf.
Als wir nun dort waren haben wir auch ein Interview gegeben … Wer sich noch näher über dieses Projekt informieren möchte, in unserer Veranstaltung ist alles dokumentiert:
https://www.facebook.com/events/452532458277805/
Haben wir noch vernommen! 😀 Knuddel deine Hundis von mir und danke nochmal. 🙂
Wie sieht also mein Alltag mit einer dieser geretteten Seelchen aus?
Nun ja… Kennt ihr diese Mikro-Staubpartikel, die manchmal im Licht der direkten Sonneneinstrahlung sichtbar werden? Meine Lucy liebt es diese mit ihrer kleinen doofen Schnauze zu fangen. Sie sitzt dann da und schnappt, schnappt, schnappt. Beim ersten Mal wundere mich was da los ist und drehte ich mich um. Als ich sah was sie machte, musste ich so lachen. Ja, das schafft sie oft, mich zum Lachen zu bringen!
So viel Lebensfreude in dem kleinen Bündel Hund. – Das steckt an!
So ist eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, mit dem Gesicht durch hohes Gras zu rennen, manchmal schließt sie die Augen dabei. Es kann dann auch passieren, dass sie in ihrem unbändigen Rennwahn ein Erdloch nicht mitbekommt und mit einem Bein rein kommt, daraufhin hinfällt. Dann guckt sie betröppelt, erstarrt für eine Sekunde und flitzt dann sofort wieder los. Trifft sie auf andere Hunde spielt sie so gut wie jeden an, in klassisch tapsiger Welpenmanier. Jedem Hundebesitzer schmilzt bei diesem Anblick das Herz – wie sie da so rumspringt mit ihren viel zu langen Rehbeinen.
Ihre Essenszeiten kennt die kleine Fressraupe jetzt schon genau. Etwa 10min nachdem ich mit meinem Frühstück oder Abendbrot fertig bin, fängt sie an mich anzustubsen und zu toben wie eine Wahnsinnige: Sofa hoch, runter, wieder hoch. Sie schmeißt ihr Spielzeug in der Gegend rum oder beißt in ihrem Wahn in ein Kissen oder meine Decken. Ebenso liebt sie es, mich dann mit ihren Pfoten anzutippen, mit einem trotteligen Gesichtsausdruck, inklusive angelegte Ohren. Dann sieht das Mini-Monster aus wie Dobby von Harry Potter. Da sie mit den langen Beinen nicht klar kommt, geht das Angestubse auch schnell mal ins Gesicht oder gar in meine Brille.
Nachts schläft das Pupi immer der Länge nach an meine Beine angeschmiegt. Drehe ich mich, brummelt sie rum wie ein Mensch. Das macht sie auch, wenn wir auf dem Sofa liegen und ich mich ihrer werten Meinung nach zu viel bewege. Täglich wirft ihr freudig-wedelnder Schwanz Sachen vom Tisch und sie erschrickt. Ständig hat sie Fussel an der Schnauze, manchmal irgendwas Klebriges an der Nase, wie eine Blüte von einem Baum. Statt es dann wie andere Hunde mit den Beinen abzustreifen, versucht sie es wegzuschniefen.
Kurzum: Sie ist ein kleiner, prasseliger Süßling. So unfassbar liebenswert !!!
Wir gehen an bestimmten Stellen (auf Wiesen, in Wäldern und gewisse Straßen ohne Verkehr) bereits problemlos ohne Leine. Manchmal ist sie zu aufgedreht und ich muss sie fix an die Leine nehmen, bevor sie in ihrem Übermut auf die Straße springt und mich erschrocken anblickt, wenn ich schimpfe.
Aber dass wir überhaupt schon nach wenigen Wochen solch eine gute Bindung und Kommunikation haben, freut mich und macht mich auch unheimlich stolz. Die Menschen, denen wir begegnen können oft garnicht glauben, dass sie erst so kurz bei mir ist, wenn sie uns so zusammen sehen.
Generell ist sie wirklich ein Traumhund: süß, verspielt, verträglich, kuschelig und klug. Sie lernt fix und ist neugierig. In jeden Keller wird geguckt und in jeden Busch gekrochen. Sitzt man in einem Café merkt man Lucy nach einer Zeit garnicht mehr, so leise ist sie. Ein Bellen entfleucht der Fellnase nur, wenn sie einen Hund anspielt und er nach Minuten bespielen einfach nicht reagiert. Is ja auch eine Frechheit! 😀 Kommt ein großer (dunkler) Hund rennt sie eher weg und fiept, als zu beißen.
Letztens hatte sie leider eine Panikattacke als sie gleich zwei riesen Hunde am Elbufer regelrecht jagdten und stellten. Sie schrieh und schrieh. Daraufhin hab ich sie minutenlang beruhigen müssen. Frech ist sie schon, aber auch eine zarte Seele am Ende. Tjaja….so ist das mit dem Schicksal: Holt sich ein Mensch mit Panikattacken einen Hund, kriegt er einen ängstlichen Mini-Me (mit mehr Haaren). 😀
Aber das ist ja auch völlig in Ordnung so. Ich nehme sie so an, wie sie ist und wir machen ständig Fortschritte. Allerdings gibt es auch Dinge, die bisher nicht reibungslos funktionieren. Das größte Problem ist: alleine bleiben. Sie zerlegt die Wohnung regelrecht: holt alles aus den Schränken, was irgendwie erreichbar ist; uriniert dann auf diese Sachen; kackt in die Wohnung und verschmiert es; jault und fiept und zerbeißt Gegenstände wie Zeitungen, Taschentuchboxen oder ähnliches. Als ich sie einmal in der Stube ließ, räumte sie alles vom Tisch und erleichterte sich zudem auf meinem Stammplatz auf dem frisch angeschafften Sofa. Erst letzte Woche zerbiss sie einen meiner kleinen Schränke (ein Erbstück vom Uropa) und die Eingangstür.
Es gibt verschiedenste Erklärungsansätze für dieses Verhalten. Es könnte Langeweile sein, dass sie generell nicht genug gefordert wird oder auch Trennungsangst. Oder, oder…
Fragt man Vertreter der Dominanztheorie („Hunde müssen unterworfen werden.“), würden vermutlich analysieren, Lucy sei ein dominanter Hund. Demnach wäre ihr Verhalten eine „Grundsatzdiskussion“ über die Führung im Rudel. Es scheint fast ein Wiederspruch an sich: War sie doch am Anfang solch ein Schisser, zittert immer noch in gewissen Situationen oder pullert sich regelrecht ein, wenn ein großer Hund oder Mensch direkt auf sie zukommt (kaum noch). Und doch merkt man die vermeintlichen ständigen Dominanzkämpfe im Alltag, so beim Gassi Gehen, wenn sie zieht und zieht oder wenn sie testet was passiert, wenn sie meinen Platz klaut oder nach meinem Rufen nicht gleich kommt.
Man könnte also mutmaßen, dass sie nicht nur in der jugendlichen Rüpelphase ist, sondern zudem auch generell ein frecher Hund ist, der gerne die Kontrolle inne hat. Das stand auch so bereits in ihrer Adoptionsauskunft. Klassische Hundetrainer sind sich somit ziemlich sicher, dass Lucy versucht, die Kontrolle zu behalten oder zu erlangen, in den Situationen, in denen ich unser Zuhause verlasse. Die „Kontrolle zu behalten“ ist natürlich ein unmögliches Unterfangen, wenn ich mich entferne und sie zu Hause eingeschlossen ist! Den Frust darüber lässt sie dann an den Sachen in der Wohnung aus – jault und fiept lauthals hinter mir her, ruft mich quasi zurück. Sie raten weiter:
„Wenn Sie bei Ihrem jungen Hund sonst wirklich alle Fäden in der Hand haben, wird die „Zerstörungsphase“ wahrscheinlich einfach vorüber gehen. Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen! Bestrafen Sie ihn niemals, wenn Sie nach Hause kommen – er kann es nicht in Zusammenhang bringen! Beseitigen Sie das Chaos kommentarlos und ignorierend. Beschäftigen Sie Ihren Hund möglichst noch ausgiebiger, lassen Sie ihn öfter nur kurz alleine und kommen Sie zurück, wenn er gerade nichts anstellt.
Bestehen Sie weiterhin konsequent auf Ihre Führung, räumen Sie zu Hause weg, was er kaputt machen könnte und lassen Sie ihm nicht die ganze Wohnung, wenn er alleine bleibt, sondern nur einen Raum. Ein Kauknochen ist beim Alleinlassen auch immer hilfreich. Ihr Hund sollte einfach möglichst wenig Möglichkeit bekommen, Sachen kaputt zu machen, damit sich dieses Verhalten nicht einschleift.“
In einer einschlägigen Fernsehsendung zum Thema „Angst beim Allein Lassen“ rieten sie schlichtweg an zu üben, üben, üben. – Sich immer wieder anzuziehen und ohne ein Wort das Haus zu verlassen. „Und das dann 30Mal am Tag!“, sagte der Trainer mit Befehlston. Die Hundebesitzer schluckten erschrocken. Hin und wieder lege ich solche Übungssequenzen ebenfalls ein, verlasse die Wohnung, obwohl ich nichts wirklich draußen zu erledigen habe und komme nach wenigen Minuten wieder.
Mittlerweile rennt sie mir schon nicht mehr in jeden Raum hinterher, sitzt so nicht mehr beim Toilettengang vor mir und beim Zähneputzen hinter mir. Und doch fällt es ihr schwer mich gehen zu lassen. Wenn ich nach einem kurzen Gang innerhalb der Wohnung zurück komme, liegt sie so gut wie nie entspannt da, sondern starrt immer in Richtung Tür, wedelt mit dem Schwanz, wenn ich zurück komme. Wenn sie nun denkt, dass ich ohne sie die Wohnung verlassen könnte, wird sie ganz angespannt, bettelt angestrengt um Aufmerksamkeit.
Ohne den Glauben an ein übertriebenes Dominanzverhalten in ihrem Fall und stattdessen auf Empathie besonnen, ist es mehr als verständlich, dass es für sie schwer nachzuvollziehen ist, warum ich am Anfang immer da war, sie überall mit hin nahm (damit sie sich an mich, meinen Alltag und das Umfeld gewöhnt) und sie nun plötzlich alleine zurück lasse. Oben drauf kommt auch noch, dass sie alleine Bleiben nicht kennt: Als sie aufgefunden wurde, war sie mit der Mutter unterwegs, in der Tötungsstation stets von Hunden umgeben und in der Pflegestelle in Deutschland gab es neben dem Pärchen einen zweiten Hund, der ihr Gesellschaft leistete, wenn die Menschen gingen.
So liegt es an mir, dass mit ihr zu trainieren.
Ich denke das kriegen wir schon hin! Und auch das problematische „an der Leine Gehen“ wird werden, denn sie lernt schnell, ist klug und aufmerksam. Wenn ich sie ins Körbchen schicke, geht sie sofort. Wenn sie einmal nicht aufs Sofa oder ins Bett darf, akzeptiert sie das ohne Murren. Sie wartet auch geduldig ohne zu betteln, dass ich mit dem Essen fertig bin. Erst nach einer Ruhephase von 10-20min nach meinem Mahl, fängt sie an unruhig zu werden. Sage ich, sie soll das lassen, legt sie sich wieder ruhig hin. Normalerweise kommt sie unverzüglich, wenn ich sie draußen rufe und auch unzählige andere “Befehle” klappen bereits ohne Probleme.
Vielleicht ist es also gar kein Dominanzproblem, sondern die pure Angst und Überforderung, wenn sie alleine gelassen wird. Ich weiß es noch nicht mit Sicherheit. Werde sehen, was zukünftig hilft.
Unsere Verständigung funktioniert i.d.R. ohne Brüllen, mit wenigen Worten und zunehmend mit Gesten. Dabei sind wir lange nicht perfekt, doch das Zusammenspiel funktioniert so, dass wir uns mit der Zeit immer besser verständlich machen können. Wir sind nun mal mitten in einem Entwicklungsprozess, mit all den üblichen Fort- und Rückschritten, dem Ausprobieren von Methoden und auch Handeln nach Bauchgefühl.
Und wenn man bedenkt, dass sie gerade mal 10 Monate alt und ein paar wenige Monate hier ist, hat sie schon großartige Fortschritte gemacht und wir haben eine tolle Beziehung aufbauen können. Ich bin manchmal auch einfach etwas zu überstürzend, will zu viel – zu schnell.
Bei den ganzen Tipps und Tricks die dort draußen existieren, ist es schwer seinen eigenen Weg zu finden. So möchte ich ohne körperliche Maßregelungen wie Schläge, „Schnauzengriff“ oder „Alphawurf“ (= den Hund auf den Rücken werfen) mit ihr idyllisch zusammen leben. Möglichst auch komplett ohne Strafen irgendwann.
Ich bin Mensch und kein Hund, erst recht kein Wolf, möchte nicht versuchen mich wie einer zu verhalten, nur um sie zu „unterdrücken“. Außerdem gibt es auch aktuelle Studien, die in Frage stellen, ob sich Wölfe wirklich so untereinander verhalten. Statt stumpfer kröperlicher Überlegenheit verfüge ich über kognitive Fähigkeiten, mit denen ich überlegen kann, warum sich mein Hund mir gegenüber so verhält und wie ich ihr Verhalten ändern kann, sodass niemand aus meiner Umwelt und erst recht nicht mein Hundekind Schaden davon trägt.
Ein Hund muss die Chance erhalten, zu lernen, welche Verhaltensweisen von uns erwünscht sind und welche nicht, ohne die ständige Angst vor Gewalt oder deren Androhung im Nacken. Allzu oft gehen wir davon aus, dass unser tierischer Begleiter ja genau wisse, dass ein Verhalten unerwünscht sei. Dabei vergessen wir, dass der Hund auch solche Lernsequenzen erst generalisieren muss. Solche Lernprozesse erfordern auch Zeit, mal mehr, mal weniger. Diese Zeit soll sie bekommen und ich kann mich währenddessen in Geduld üben.
Am liebsten lerne ich unkompliziert im Alltag mit ihr. Dazu gehen wir raus. Besonders gern halten wir uns im Wald auf, krakseln über umgestürzte Bäume, Stock und Stein oder laufen am Elbufer entlang, auf den schier unendlichen, schönen Wiesen. Nunja, ich laufe – sie tobt wie eine Wilde. Aber es ist auch so schön zu sehen, wie sie einfach nur glücklich ist und sich am Leben erfreut.
Und genau so soll es sein! Wir beide….glücklich miteinander. Ich freue mich auf unsere gemeinsame Zukunft, auf gemeinsame Erlebnisse und auch Lernprozesse! Und ich hoffe, ich kann ihr ein tolles Zuhause bieten…
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9 Kommentare auf "Adoptivkind Lucy aktuell + INTERVIEW mit einer Tierretterin"