…allerdings nicht weil das Wochendene nun vorbei ist, sondern wegen zunehmender rechter Tendenzen aus der Mitte der Gesellschaft, oder besser: „aus der Mitte des Arschs der Gesellschaft“. Kaum in Dresden angekommen, komme auch ich nicht umher der Thematik rund um die Primaten von Pegida (‘Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes’) zu begegnen.
Immer wieder montags treffen sie sich und feiern eben sich selbst und ihre menschenverachtende Propaganda. So gingen anfangs einige hundert, dann viele tausend RassistInnen gegen eine unterstellte verfehlte Einwanderungs- und Asylpolitik und generell gegen vermeintliche MuslimInnen und Flüchtlinge auf die Straße. Und auch wenn es manch einem wie wenige Wochen oder Monate vorkommen mag, demonstrieren sie nun bereits ein ganzes Jahr. Na herzlichen Glückwunsch auch!
Anlässlich des Geburtstages der peinlichen Vereinigung, auf die Dresden wohl gerne verzichten würde, riefen verschiedenste antifaschistische Organisationen, Initiativen und Bündnisse wie Dresden für alle und Dresden Nazifrei zu einer Gegenveranstaltung auf. Und viele tausende folgten diesem Aufruf, zum Glück. Sie trafen sich an verschiedenen Startpunkten und liefen in Richtung Altstadt, in Richtung der bereits tobenden Pegida-Veranstaltung.
Zuvor zogen die Pegida-Anhänger mit unzähligen Deutschlandfahnen und “Wir sind das Volk“-Rufen durch die Straßen der sächsischen Landeshauptstadt. Die Polizei baute eine Wagenburg zwischen der Antifa-Demonstration und Pegida, interessierte sich jedoch nicht dafür, dass Pegida-TeilnehmerInnen aus der Innenstadt heraus wieder einmal durch die Gegendemo liefen, wie es auch schon die Monate zuvor passiert ist. Auch die meisten AntifaschistInnen merkten kaum, wer da regelmäßig in großen Gruppen sich den Weg durch sie hindurch bahnen wollte. Ein Mann rief einem Polizisten zu: “Und das soll euer Sicherheitskonzept sein, diese Leute hier durch zu leiten? Ihr habt verdammt Glück, dass wir hier vernünftige Leute sind!” Er schien recht zu behalten, wenn man sein “vernünftig” mit friedlich gleichsetzt, denn es kam von linker Seite in dieser prekären Situation nicht zu Übergriffen.
Auch in vielen anderen Städten nutzen rechte und rassistische Gruppen die momentane Aufmerksamkeit durch mediale Öffentlichkeit und veranstalteten seit Wochen immer wieder eigene Demonstrationen. Abgesehen von Dresden waren die GegendemonstrantInnen dem rassistischen Mob vielerorts zahlenmäßig deutlich überlegen. Nichtsdestotrotz sind die aktuellen Größenordnungen der rechten Mobilisierungen erschreckend hoch.
Und auch die derzeitige gesellschaftliche Akzeptanz der rechtspopulistischen, sozialdarwinistischen, menschenverachtenden und rassistischen Inhalte beobachtet ein aufmerksamer Zuschauer nur mit sehr schwerem Herzen. Ja, es ist insgesamt schwer zu ertragen, all die tausenden leidenden Flüchtlinge auf der einen Seite zu sehen und all die herzlose kalte Ablehnung der Mitglieder der deutschen Wohlstandsgesellschaft auf der anderen.
Wer meinen Blog im Verlauf der letzten Monate etwas verfolgt hat, weiß um meine Erkrankung und die Folgen. So kann ich kaum oder tageweise auch gar nicht mehr unter viele Menschen gehen. Oft wird es schon ab 2-3 Personen schwer auszuhalten. Die Teilnahme an Konzerten, Kundgebungen, Demos und ähnlichen Veranstaltungen kommt daher schon lange nicht mehr in Frage. Leider, denn das Gefühl auch aktiv für etwas einzugestehen, fehlte mir oft.
Nun häuften sich die Meldungen der unglaublich vielen Teilnehmer der ausländerfeindlichen Bewegung. Als Folge schrieben mir viele Berliner Freunde besorgt, warum nun gerade ich in eine solche rechte Gegend gezogen bin. Meine neue Wahlheimat ist keinesfalls so wie es durch die Pegida-Berichterstattungen in den Medien wirken mag und ich werde nicht zulassen, dass diese Rassisten weiterhin solch einen machtvollen Eindruck hinterlassen. Ich entschied mich nun heut derart spontan zu dieser Gegendemo aufzubrechen, dass ich beim Zurückkommen meine vollkommen verkochte Kürbissuppe auf dem Herd vorfand. Ich hatte sie vergessen auszustellen. Wieder Zuhause angekommen, war ich also nicht nur ausgelaugt, durchgefroren, sondern nun auch noch Suppenlos – Und das alles nur wegen diesen Idioten! Hmpf… -_-
Aber fangen wir von vorne an: Durchgezählt, eine unabhängige Studenten-Initiative schätzt, dass auf dem Theaterplatz 15.000 bis 20.000 Menschen an der Kundgebung des fremdenfeindlichen Bündnisses teilgenommen haben. Doch schon zu Beginn prangte an dem Musentempel eine Leuchttafel mit der Aufschrift: „Wir sind keine Kulisse für Intoleranz“. Das Staatsschauspiel plakatiert groß an seiner Fassade: “Für ein weltoffenes Dresden.” VW ließ seine gläserne Manufaktur am Montagabend unbeleuchtet, ebenso die Semperoper. Ja, Dresden wehrt sich! Das zeigte sich auch durch die 15.000 bis 19.000 Menschen, die in unterschiedlichsten Gegendemonstrationen mobilisiert wurden, u. a. unter dem Titel „Herz statt Hetze“.
Die selbst ernannten Patrioten der Pegida-Organisationsebene boten wieder mehrere Redner zu ihrer Kundgebung in Dresden auf, u.a. rechtspopulistische Politiker aus Tschechien und Italien. Es fielen dabei auch brandgefährliche Sätze wie: “Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.” Die Aussage erhält von vielen Demonstranten zustimmenden Applaus. Doch während der Rede von Akif Pirinçci wird auch “Keine Hetze” gerufen. Der Autor von Büchern mit “großartigen” Titeln wie: “Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer” und “Die große Verschwulung. Wenn aus Männern Frauen werden und aus Frauen keine Männer” bezeichnet in seiner ebenso vulgären und hasserfüllten Rede die Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik kommen, als “Invasoren”. Die Grünen bezeichnete er als “Kinderfickerpartei”. Strafanzeige gegen Akif Pirinçci ist gestellt.
Ein weiterer Redner hatte bereits 2007 öffentlich geäußert, die Grünen müssten standrechtlich erschossen werden und zeigte sich in einer aufgetauchten Eigenfotografie in “Hitler-Pose”. Wer ist dieser Mensch, der von Hinrichtungen Andersdenker spricht und sich derart präsentiert? Es ist der Initiator der Pegida, Lutz Bachmann, der wegen Drogendelikten und Einbruchs vorbestraft ist. Zum Auftakt der Veranstaltung sagte er: “Wir sind gekommen, um zu bleiben. Und wir bleiben, um zu siegen. Und wir werden siegen.”
Siegen bei was ist die Frage? Ein Blick auf ihre Forderungen und auch vorgebrachten Ängste zeigt deutlich ihre Gesinnung und ihre dadurch resultierenden Zielsetzungen. Die Pegida-Anhänger befürchten nach eigenem Bekunden eine „Überfremdung“ des Landes. Sie fordern unter anderem ein schärferes Asylgesetz, eine “Null-Toleranz-Politik” gegenüber straffälligen Asylbewerbern und Migranten und warnen vor einer Islamisierung des Landes. Sagen wir es mal so: diese Menschen sind offensichtlich auch ohne Sonne braun.
Um weitere Anhänger und Mitläufer zu mobilisieren, skandieren sie primitive Parolen. Gleich dem Rattenfänger von Hameln folgen die unreflektierten Bürger in Scharen. Mit den angesprochenen Themen trifft Pegida offenbar den Nerv vieler von ihnen. Einer Emnid-Umfrage zufolge zeigen 53 Prozent der Ostdeutschen und 48 Prozent der Westdeutschen Verständnis für Pegida – Das sind verdammt erschreckende Zahlen!
Somit reicht das Spektrum der politischen Einordnung der Pegida-Teilnehmer von offen rechtspopulistischen bzw. rechtsextremistischen AktivistInnen bis hin zur eher bürgerlichen bzw. rechtskonservativen Mitte, gewissermaßen vom ExtremistInnen bis hin zum sogenannten “Wutbürger”. Umfragen unter Demonstrationsteilnehmern zeigen, der “typische” Pegida-Demonstrant ist männlich, Ende 40, konfessionslos und er kommt aus der Mittelschicht. Die meisten sind gut ausgebildet, berufstätig, haben allerdings ein sicherlich frustrierendes unterdurchschnittliches Einkommen. Die Mehrheit der Demonstranten vertritt klar rechte Positionen. Oft sind es Nichtwähler.
In einer im Mai 2015 veröffentlichten Studie gehören 30 Prozent zu den Gemäßigten und lehnen Rechtsradikalität und Gewalt komplett ab. Sie sorgen sich eher um die Rahmenbedingungen der Einwanderung in Deutschland, sind aber nicht generell gegen Migranten oder „friedliche“ Muslime.
In der gleichen Studie wurde ein Anteil von 17 Prozent Rechtsradikaler angegeben, die auch Gewalt gegen politische Gegner befürworten. Bei einem Mittelwert von 18.000 Teilnehmern letzten Montag, wären das rein rechnerisch immerhin über 3.000 gewaltbereite Nazis. Diese Gruppe ist jünger als die der anderen Teilnehmer. In einem älteren Interview mit der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ erklärte Pegida-Kopf Lutz Bachmann dagegen, unter seinen Demonstranten befänden sich nur wenige „politische Rechtsextremisten“ und Hooligans – die man weder ausschließen könne, noch überhaupt kennen würde. Doch nicht nur deutlich rechtsradikale Bekleidung, auch Transparente, Poster und überregionale Anreisebewegungen, die teils durch Neonazis organisiert werden, zeigen die offensichtliche, unbestreitbare Wahrheit.
Doch die derzeitigen Mischverhältnisse in Zahlen sind nicht bekannt, daher ist meine hier aufgestellte Zahl nur ein vermuteter Richtwert anhand der früheren prozentualen Verteilung. Trotz all der traurigen Fakten, gibt es aber auch einen klitzekleinen positiven Aspekt: Trotz des Geburtstages der Veranstaltung und obwohl die Flüchtlingskrise seit Sommer die Öffentlichkeit beherrscht, konnte Pegida nicht einmal zum Jahrestag mehr Menschen auf die Straße locken als in der Spitze im vergangenen Winter. Inzwischen dürfte vielen gemäßigten Demonstranten durch Aufdecken der rechtsradikalen Hintergründe der Mehrheit der Organisatoren bewusst geworden sein, mit wem sie dort durch die Straßen ziehen. Doch gebrochen ist der Zustrom dadurch trotzdem nicht.
Die Gegenseite macht allerdings auch kräftig mobil mit allerlei Unterstützern und Sympathisanten. Manch einer der Anti-Pegida-Seite berichtet, er hat sogar von seinem Arbeitgeber für die Demo freibekommen. So muss das! Es haben auch verschiedene vegane Restaurants wie der Falsche Hase und Der Dicke Schmidt komplett geschlossen, um sich der antifaschistischen Demo anzuschließen. Und auch die Besitzerin des V-Cakes erblickte man hier bei den Demonstrierenden. Ja, ich muss sagen, das macht diese Etablissements für mich noch sympathischer als eh schon.
Die Polizei versucht, die Lager auseinanderzuhalten. Die Stimmung ist emotionsgeladen. Immer wieder entlädt sich die angespannte Stimmung in Übergriffen von beiden Seiten. Einmal setzt die Polizei Reizgas ein, als ihre Absperrung um den Theaterplatz bedrängt fühlen. Wir erleben selbst und beobachten Übergriffe der Polizei auf linke Demonstranten. Sie sind grob beim überfallartigen Zurückdrängen der Menschen, wie immer halt. Zeitgleich steigt ein Polizist in den Einsatzwagen ein. Die wohl durchschnittlich 20-jährigen jungen Frauen und Männer neben dem Auto werden nun zusätzlich von der sich langsam öffnenden Tür verdrängt. Statt sie zu nun normal zu schließen, öffnet er sie noch einmal komplett bis Anschlag in einer ruckartigen Bewegung und schlägt sie absichtlich gegen die Menschen, die nirgends anders hin können als an dem Auto zu stehen, denn sie wurden ja so zusammen geschoben, dass man sich schwer bewegen kann. Wir befinden uns in dieser Masse Menschen und spüren die Schläge und Schübe der Polizisten in den Rücken. Als wir uns aus dieser Bedrängung lösen können, sehen wir wie ein antifaschistischer Demonstrant brutal hinter die Polizeilinien gebracht wird, von bestimmt 10 Einsatzkräften umringt.
Die Pegida beendet ihre Veranstaltung und viele von ihnen ziehen hinter den Polizeiauto-Linien lang und provozieren in nur wenigen Metern Entfernung. Davon angestachelt gibt es Sprechchöre der Gegendemonstranten alá „Euch geht es doch gut, woher kommt eure Wut?“, „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda.“, das freche: „Wir sind die Mauer, das Volk muss weg!“ und „Alle woll´n das Selbe: Nazis in die Elbe!“ Und nicht zuletzt ein deutliches: „Haut ab!“ in Wiederholung. Der wohl am meist gehörte Spruch des Tages neben: „Say it loud, say it clear: Refugees are welcome here!“, ist ein sehr simpel und doch treffend formuliertes: „Schämt euch!“
Dem muss man nichts hinzufügen. Ich schließe mich dieser Aussage und somit auch den Sprechchören an. Ein junger Mann mit Megafon sagt trocken: „Guck nicht so blöde!“ in Richtung eines offensichtlichen Nazis. Der zeigt sich erstaunt über die freche Ansage. Andere Rechte sind nicht so auf den Mund gefallen und provozieren mit Sprüchen wie: „Ach guck mal, eine Kindergartengruppe.“ Ein junges hübsches Mädchen ruft zurück: „Jaja, frustriert von der kleinen Rente, he?!“ Der vielleicht 40-jährige Mann, der aussieht wie ein in die Jahre gekommener Hooligan, läuft kopfschüttelnd weiter. Der Sprechchor stimmt ein: „Eure Kinder werd´n wie wir – la lala lala!“ Den Rechten sieht man ihren Unmut über besonders diesen Spruch an. Man erkennt an der Körpersprache wie angespannt sie sind. Sie bleiben stehen, überlegen, wollen sich sicherlich (körperlich) dagegen wehren, allerdings werden sie stetig aufgefordert weiter zu gehen und folgen den Befehlen. Ja, das können sie wohl.
So unmittelbar in die hässliche Fratze Deutschlands zu schauen, macht einen wütend und traurig zugleich. Es sind so unglaublich viele und eben auch so viele ältere Menschen. Dass sie aus der Geschichte von Fremdenhass und rechten Populisten einfach gar nichts gelernt haben, macht einen schlichtweg sprachlos und mindestens ebenso wütend. Zumindest will man ihnen heute zeigen, dass sie Gegenwind erwarten können und hier heute aktiv bekommen und das von Tausenden – Die Menschen, die zwangsläufig auf die Straße gehen müssen, wenn die Politik schon nichts zu tun vermag. Denn diese verstrickt sich seit Beginn der Bewegung in einem Zick-Zack-Kurs bei der Bewertung von Pegida. Es besteht der Vorwurf der Verharmlosung. Von vielen Seiten wird ein Verbot der Pegida(-Demonstrationen) verlangt.
In den Stunden nach den heutigen Demonstrationen kommt es zu Jagdszenen in der Innenstadt. NTV berichtet zu der Situation nach der Veranstaltung: „Linke Demonstranten versuchen, den Pegida-Anhängern den Rückweg abzuschneiden. Eine enge Gasse in der Dunkelheit, ein Wasserwerfer hat sich positioniert. “Ich richte mich an die Gruppe vor dem Wasserwerfer”, ruft eine Polizistin durch den Lautsprecher. Dort stehen vorwiegend junge Menschen, die gegen Pegida demonstriert hatten. Sie sollen sich entfernen, schallt es aus dem Wasserwerfer nach vorn. “Es handelt sich um eine unerlaubte Versammlung”. Plötzlich fliegen Böller von hinten – von dort, wo sich Pegida-Anhänger nähern. Die Lage ist unübersichtlich. Menschen rennen. Die Polizei kriegt es ab.“
Tatsächlich sollen Polizisten gezielt angegriffen worden sein, auch mit Böllern von Rechtsradikalen, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa. Es habe auch mehrere Angriffe von linken Gegendemonstranten auf Polizeibeamte gegeben, sagte der Polizeisprecher. Wir, die von Anfang bis Ende mitten drin standen, konnten nichts dergleichen beobachten. Die Gegendemo war von bekennend friedlichen Menschen geprägt. „Wir sind friedlich, was seid ihr?“ konnte man von hunderten im Chor vernehmen. So beobachteten wir ein bestimmt halbstündiges Luftballonspiel, an dem sich auch Einsatzkräfte der Polizei beteiligten, wenn ein Ballon in ihre Richtung flog. Stießen sie den Ballon zurück zur Menge, applaudierte diese erfreut. Wir verließen die skurrile Szenerie.
Die Sächsische Zeitung berichtet, dass Neonazis mehrere Menschen im Anschluss an die Demo verletzt haben, so auf den Wegen zu Bahnhöfen. Linke DemonstrantInnen und auch MigrantInnen wurden gejagt und teilweise zusammengeschlagen. Solche rechtsradikalen Übergriffe gab es im Anschluss an die Veranstaltung schon mehrfach in den letzten Monaten.
Um uns nicht im Gewirr zu verlieren halten ich und meine Begleitung uns die meiste Zeit an den Händen. Als wir die Augustus-Brücke überqueren, drückt sie meine Hand so stark zusammen, dass es kurz schmerzt. Ich drehe mich um und sehe Tränen in ihren Augen. Als ich frage was los sei, zeigt sie entfernt in Richtung der Pegida-Veranstaltung. Ja das war von hier oben schon ein anderes Bild, als nur von weitem Deutschlandfahren schwenken zu sehen. Diesen Menschenauflauf. Tausende. Der ganze Platz ist einfach nur bedeckt von ihnen. In dieser Szenerie der Monumentalbauten sieht es nicht viel anders aus als die bekannten Videoaufnahmen der Aufmärsche zu Hitlers Zeiten. Beklemmende Stille zwischen uns.
Neben uns stehen ebenso erstaunt und traurig dreinblickende Menschen. Manche schütteln ungläubig den Kopf. Manche stehen wie erstarrt da. Da bricht einer die Stille indem er laut und fast schon verzweifelt klingend „Schämt euch!“ ruft. Als wir in seine Blickrichtung nach unten schauen, sehen wir Pegida-Anhänger, die dabei sind die Veranstaltung gemütlich spazierend zu verlassen. Sie sind direkt unter uns. Als Antwort grinsen sie dreckig in unsere Richtung. Manche schwenken nochmals Deutschlandfahnen oder ihre menschenverachtenden Transparente, doch die meisten grinsen nur überlegen. Mir ist übel.
Als Folge ihres Verhaltens und wohl auch der Hilfslosigkeit und Wut der Gegendemonstranten fliegen plötzlich Dinge von der Brücke. Es ist nichts dabei, was irgendwie verletzen könnte – nur leichter Müll wie Verpackungsmaterial. Nichtsdestotrotz stürmt die Polizei die Brücke nach wenigen Minuten und sperrt sie vorsichtshalber ab.
Ich kann die Wut der Menschen hier auf der Brücke gut nachempfinden. Ignoranz und oft auch Akzeptanz gegenüber Nazis und deren Handlungen führte doch überhaupt erst zur Übernahme der Nazis 1933. Und auch jetzt sieht es nicht viel anders aus. Hier wird momentan durch gesellschaftliche Akzeptanz von Fremdenfeindlichkeit ein Nährboden für Neonazitum geschaffen.
Da sind Szenen wie diese aus dem diffusen Pegida-Mob schlichtweg bezeichnend für dieses Tal der Ahnungslosen: Man sieht Teilnehmende einer solchen Demonstration, die vor Fernsehkameras behaupten, dass das alles auf keinen Fall Nazis seinen, sondern ganz normale Menschen und sie bei diesen Demos noch nie einen „Rechten“ gesehen hätten. Ein Stück weiter hinten, im selben Kamerabild ist ein Demonstrant in Runenschrift Germania-88-Jacke zu sehen.
Ähnlich lächerlich auch die Szenerie um den Initiatoren der Pegida, Lutz Bachmann, der sich auf der Bühne brüskiert über Politiker, die die Bewegung als rechtsradikal bezeichnen, während Aufnahmen in Richtung der Zuschauerschaft eindeutig Poster zeigen, die die radikale Gesinnung abbilden. Womöglich sollte er das nächste Mal wieder seine durch das Selfie bekannt gewordene Hitler-Verkleidung anziehen und klatschen bei Wünschen nach Aufrufen zur Wiederaufnahme von KZs, um noch glaubwürdiger zu erscheinen in seiner Ablehnung dieser Bezeichnung.
Es hat mir große Angst bereitet, die Massen an Menschen zu sehen, die aktiv für solche Dinge einstehen. Und obwohl sich die Gegenbewegung dieses Mal stark und engagiert zeigte, reicht dieses eine Aufbegehren nicht aus um solch eine „Bürger“bewegung zu stoppen. Am Schlossplatz schepperte früher am Abend aus dem Mikrofon des Lautsprecherwagens die verzweifelte Bitte, sich dem Gegenprotest wieder öfter anzuschließen: “Geht auf die Straßen und holt sie euch zurück!”
Und mit genau diesem Satz möchte ich meine persönliche Berichterstattung, diesen Beitrag über das traurige Jubiläum beenden:
“Geht auf die Straßen und holt sie euch zurück!” – „Wir sind die Mauer, das Volk muss weg!“
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4 Kommentare auf "Immer montags könnt ich kotzen"