My life My choice ist bekanntermaßen ein Lifestyleblog – der Lebensstil einer Person bezeichnet laut Definition spezifisch wiedererkennbare Präferenzen und persönliche Merkmale in Freizeit, Wohnstil, Kleidung, Sprachgestus, Aufenthaltsorte. Nun mag es euch nicht überraschen, dass ich mich nicht ausschließlich in Cafés und Restaurants aufhalte, sondern auch für Kultur und Geschichte interessiere. Als meine beste Freundin fragte, ob ich mit zur Museumsnacht in Dresden gehen will, sagte ich sofort zu, ohne zu überlegen.
Beiläufig hörte ich mal von dieser Art Veranstaltung, aber nahm das Angebot nie in Anspruch oder kannte die Rahmenbedingungen. Nun kann ich euch so viel dazu berichten: Die Lange Nacht der Museen ist eine Gemeinschaftsaktion mehrerer Museen und Kultureinrichtungen an einem Ort, die an einem gemeinsamen Aktionstag ihre Öffnungszeiten ausnahmsweise bis in die Nacht verlängern. Eine Eintrittskarte ermöglicht den Besuchern nicht nur den Zugang zu allen beteiligten Ausstellungshäusern, sondern auch die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Für 50 teilnehmende Museen zahlte ich in Dresden 9 Euro (ermäßigter Preis). Aber auch die 13 Euro – der normale Erwachsenenpreis – lohnen sich zu investieren.
Den Tag begannen wir mit einer Stärkung bei meinem neuen Lieblingsasiaten in Dresden Neustadt, dem Thay Viet in der Alaunstraße. Dieses Restaurant hat sich ganz auf die feine Küche des südostasiatischen Landes spezialisiert – Vietnamesische Köstlichkeiten zwischen Alaun- und Albertplatz.
Mit einem Blick auf uns bringt er die veganen Karten – so muss Das! Dieses Mal wähle ich ein überbackenes Huhn mit verschiedenem Gemüse, Erdnuss-Soße und Reis. Mit meiner Chulia teile ich mir zudem noch Sommerrollen. Die Portionen sind mächtig, die Preise angemessen und die Leckereien wurden wieder schnell und lecker zubereitet. Gleich nebenan befindet sich ein Sushi-Restaurant namens Soy’s Sushi, das ich mir vornehme beim nächsten Besuch zu probieren, denn ich hörte auch hier Empfehlungen in den höchsten Tönen.
Weil wir das zunächst anvisierte Museum nicht auf Anhieb finden, fahren wir erst mal in die Altstadt Richtung Zwinger. Der weltbekannte Zwinger gehört mit seinen Pavillons und Galerien, dem Kronentor, dem Nymphenbad und nicht zuletzt dem Garten im Zwingerhof, zu den großartigsten Bauwerken des Barock in Deutschland. Wir gucken uns zunächst die Gemäldegalerie der Alten Meister an.
„Meine Verwunderung überstieg jeden Begriff!“
– der junge Johann Wolfgang Goethe bei seinem Besuch der Gemäldesammlung
Ich dachte nie besonders viele Bezugspunkte zu Kunst und Kunstgeschichte zu haben, empfinde Vieles in dieser arroganten Szene als überbewertet. Sehr wohl habe ich ein ästhetisches Grundempfinden innewohnend, lernte Mediengestaltung und befasste mich intensiv jahrelang mit Geschichte und Handwerk der modernen und historischen Körperkunst. Schon als Kind und Jugendliche liebte ich es zu malen und handwerken, später wurde es Bildbearbeitung und Modeln. Ich habe also einen persönlichen Bezug zu Kunst. Nichtsdestotrotz tat ich mich schwer mit Kunstausstellungen, besonders mit dem modernen Kunstverständnis.
Und nun stehe ich hier plötzlich im Semperbau vor Werken von großen Meistern wie Rembrandt, Dürer und Rubens. Und ich bin ergriffen von der Schönheit dieser Gemälde, so ergriffen, dass mir die Tränen kommen. Diese emotionale Reaktion vermögen meist nur ganz besondere Lieder auszulösen. Ich versuche diese Reaktion zu verstehen und verorten. Was ist nur mit mir los?
Um die drückende Stimmung dieser überwältigenden Räumlichkeiten etwas zu kompensieren, machen wir Scherzchen und sarkastische Sprüche, wie üblich. Doch insgeheim bemerke ich am Blick, dass sich meine Begleiter ähnlich erschlagen fühlen, wie ich hier.
Erst gestern las ich (wieder einmal) in der griechischen Mythologie und sah im Internet ein Bild von Leda und ihrer Liaison mit Zeus in Gestalt eines Schwanes. Und auf einmal stehe ich vor dem Gemälde Leda mit dem Schwan, ein Frühwerk von Peter Paul Rubens, und fasse es nicht. Ich wusste bis vor einem Tag nicht von diesem Bild und als ich es dann im Internet sah, hatte ichnoch keine Idee, wo auf der Welt es sich befinden könnte. Hier ist es nun. Unglaublich.
Zum Abschluss dieses äußerst sehenswerten Museums gucken wir uns Raffaels Sixtinische Madonna an. Auch hier lassen wir uns wieder von einer jungen Dame, um die 13 Jahre alt, etwas zu dem Bild erklären. Zum besonderen Anlass der Museumsnacht stehen sie fast in jedem Raum, diese netten Helfer und Helferinnen und erläutern voller Enthusiasmus Näheres über die Entstehungsgeschichte, den Künstler, Bildstil und auch über einzelne, besondere Bildelemente. Sehr interessant und informativ, zudem ein außergewöhnliches Angebot, dass wir dankbar in Anspruch nehmen. Die Dresdner Sammlung einzigartiger Kunst umfasst neben den Genannten auch Maler wie: van Eyck, Holbein, Poussin, Claude Lorrain, Murillo, Canaletto, Tiepolo, Raeburn und Graff.
Anschließend laufen wir etwas im Innenhof des Zwingers und gehen in den Mathematisch-Physikalischen Salon. Ja, das ist nicht ganz mein Themengebiet, aber meine Beste wünscht es sich, also geschieht es so. Anders als erwartet, werden hier historische wissenschaftliche Instrumente ausgestellt, mit denen man bereits Jahrhunderte lang die Welt vermaß. Hier finden sich faszinierende Sammelstücke wie hochpolierte Brennspiegel, erlesene historische Uhren und Automaten, Teleskope, astronomische Modelle sowie Erd- und Himmelgloben.
Lange halten wir uns hier dennoch nicht auf. Die Zeit vergeht so schnell und wir waren bereits Stunden im ersten Museum. Die Porzellansammlung lassen wir aus, ebenfalls das Münzkabinett und auch in die Rüstkammer möchte ich nicht gehen. Denn obwohl es Teil unser aller Geschichte ist, will ich mich heute nicht mit Mord- und Turnierwaffen umgeben. Und doch werde ich mir ein anderes Mal die prunkvollen Ritterrüstungen, Schwerter, Lanzen und Schilder zu Gemüte führen. Jetzt aber laufen wir zum Japanischen Palais zu den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen zum Thema Erfolgsmodell Saurier- 300 Millionen Jahre Überleben – mein Wunsch des Abends.
Leider entspricht das Museum nicht meinen hohen Erwartungen. In der kleinen Ausstellung werden Modelle, Skelette und Fossilien ausgestorbener Saurier den heute lebenden Arten gegenübergestellt. Hier gibt es kaum echte Fossilien – meist nur Replikationen, noch gibt es wirklich Wissenswertes, das mir noch nicht bekannt war. Die wenigen nachgebildeten Dinosaurier sind aus billig-anmutendem Material. Wenigstens kann man sie dadurch anfassen. Sie stehen ohne Absperrung mitten im Raum. So kam auch mein erster Tyrannosaurus Rex-Zahn VS. meine Hand-Vergleich zustande. Ansonsten wird hauptsächlich gezeigt, was sich für Arten aus den Ursauriern gebildet haben – insbesondere Vögel, Reptilien, Krokodile, etc.
Diese Ausstellung ist wohl eher für Kinder geeignet, zu Unterrichtszwecken zum Beispiel. Für erwachsene Paläontologie-Begeisterte gibt es in Dresden nicht wirklich Sehenswertes. Dann doch lieber in das Berliner Naturhistorisches Forschungsinstitut / Museum für Naturkunde, kurz: Naturkundemuseum. Ich sag nur: das größte in einem Museum aufgestellte Saurierskelett der Welt − das Skelett eines Brachiosaurus brancai /Giraffatitan. Dann gibt es noch das sehr gut erhaltene Original eines Archaeopteryx (sog. „Berliner Exemplar“). Zudem wird Ende des Jahres im Berliner Museum für Naturkunde der zeitweise einzige echte Tyrannosaurus rex in Europa zu sehen sein, das des Tristan Ottos. Ja, ich könnte nur schwärmen für diese grandiose Ausstellung und hoffe bald Jemanden zu finden, der mich mal wieder dorthin begleitet.
Meine Freunde sind jedenfalls ähnlicher Meinung, dass uns dieses Dresdner Saurier-Museum nicht beeindruckt und so ziehen wir schnell weiter. Es geht in die populärwissenschaftliche Dauerausstellung des Deutschen Hygiene-Museums. Auf rund 2.500 Quadratmetern Fläche sind hier über 1.300 Exponate ausgestellt. Die große Überschrift über allem ist: Abenteuer Mensch. Konkret bedeutet das Abteilungen zu:
DER GLÄSERNE MENSCH
Bilder des Menschen in den modernen Wissenschaften
LEBEN UND STERBEN
Von der ersten Zelle bis zum Tod des Menschen
ESSEN UND TRINKEN
Ernährung als Körperfunktion und Kulturleistung
SEXUALITÄT
Liebe, Sex und Lebensstile im Zeitalter der Reproduktionsmedizin
ERINNERN – DENKEN – LERNEN
Kosmos im Kopf: Das Gehirn
BEWEGUNG
Die Kunst der Koordination
SCHÖNHEIT, HAUT UND HAAR
Offene Grenze zwischen Körper und Umwelt
Da meine Chulia in ihrer Ergotherapie-Ausbildung äußerst viel Anatomie lernen muss, sind diese Exponate zu Körper und Gesundheit eine willkommene anschauliche Abwechslung und spannende Erlebnisreise. Dieses Haus hat sich aufgrund der Vielschichtigkeit seines Angebotes zu einem der interessantesten europäischen Wissenschaftsmuseen entwickelt. Auch hier kann man sich Stunden aufhalten, aber wir sind so ausgelaugt mittlerweile. Die tausenden Eindrücke müssen erst einmal verarbeitet werden. Nach der Dauerausstellung beschließen wir unseren Abend zu beenden und somit weder die Sonderausstellungen des Hauses zu besuchen, noch in ein weiteres Museum zu fahren. Es ist bereits nach 23 Uhr und wir sind über 16.000 Schritte, 11,3 km, gelaufen.
Was für ein toller Tag! Ich bin glücklich.
Und die 35. Lange Nacht der Museen in Berlin steht auch schon fast vor der Tür. Sie ist am 29. August 2015. 80 Museen nehmen in diesem Jahr teil. Eine Berliner Homepage kündigt an: “Im Liegestuhl Open-Air-Kino erleben, Konzerten lauschen, Cocktails schlürfen, im Doppeldeckerbus, Trabi oder Schiff durch die Nacht gondeln, draußen feiern, auf das nächtliche Berlin runtergucken, die Sterne vom Himmel holen — das und vieles mehr bietet auch die Lange Nacht der Museen.”
Mal sehen, welche nette Begleitung zu dieser tollen Veranstaltungsnacht mitkommen möchte.
Jetzt aber noch schnell zu einer Geburtstagsfeier auf ein Malzbierchen und dann ins Bett. Alles Gute Elisa!
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15 Kommentare auf "Dresdens lange Nacht der Museen"